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Fehlender Freiraum in der Beziehung: Der Partner klammert? Oder umgekehrt: Sie werden rasch ängstlich, wenn Ihr Partner nicht antwortet?

Hilfe, mein Partner klammert!

Das Bedürfnis nach Nähe und nach Geborgenheit, das ja immer ein Wunsch nach Verbindung und Anerkennung darstellt, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Wenn ein Partner klammert, dann ist bei ihm das Bindungssystem besonders aktiv und sagt: „Lass mich nicht allein. Ich möchte spüren, dass du da bist, wenn ich dich brauche.“ Dieses Verhalten kennen wir von Kindern, wenn sie um Aufmerksamkeit bitten. Die Erzählung aus der Schule, der Fragenmarathon über physikalische Gesetze oder auch der Hinweis „Schau doch mal!“, all das bedeutet immer: „Bitte sieh mich, zeig mir, dass du mich wahrnimmst!“ Als Erwachsene zupfen wir nicht mehr am Ärmel unseres Partners, um Anerkennung und Nähe zu erleben, aber jede Frage von „Was denkst du gerade?“ bis „Steht mir das?“ ist die Bitte nach einer Verbindung.

Klammern in der Partnerschaft

Menschen mit einem ängstlichen Bindungsverhalten verspüren Verlustangst. Ihr Bindungssystem wird aktiviert, sobald der Partner sich distanziert und fehlenden Freiraum beklagt oder einfordert. Ein ganz typisches für eine solche Dynamik ist dieses Beispiel aus der Beratung:

  • Sie: Das machst du ständig!
  • Er: Was mache ich ständig?
  • Sie: Du ignorierst mich. Alles ist dir wichtiger als ich.
  • Er: Das stimmt doch gar nicht.
  • Sie: Wir müssen darüber sprechen. Du machst es in diesem Moment und merkst es nicht einmal.
  • Er: Du reagierst wieder völlig über.
  • Sie: Das mache ich nicht.
  • Er: Ich rede mit dir, sobald du dich beruhigt hast.

Die Geschlechterverteilung ist nicht bindend. Diese Unterhaltung kann ebenso stattfinden, wenn der Mann die Rolle des ängstlichen und die Frau des vermeidenden Partners übernimmt. Oft wechseln sich die Partner in ihrem Verhalten nämlich der Situation entsprechend ab, dann übernimmt der vermeidende Bindungstyp die Perspektive des ängstlichen Typs, das bedeutet, in einigen Situationen wird aus Verlustangst ganz schnell Bindungsangst. Warum? Weil sich Verlustangst und Bindungsangst sehr viel näherstehen und sich ähnlich sind, als viele Menschen vermuten. Die Ursache ist nämlich dieselbe: Ein grundsätzlich oder auch nur in diesem Moment schwaches Selbstwertgefühl.

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Klammern: Bitte erdrück mich nicht!

Schwacher Selbstwert sucht Bestätigung und Anerkennung. Aber eben nicht nur in der Bemühung um Nähe, sondern auch in der Bemühung um Distanz. Der Dialog des Paares zeigt auf den ersten Blick zwei unterschiedliche Persönlichkeitstypen. Dabei sind sie sich in ihrem Empfinden sehr ähnlich – nur Ihre Art darauf zu reagieren. Was nämlich sich hinter dem vermeidenden Verhalten des Partner verbirgt: Seine Furcht davor, in der Bindung sich selbst zu verlieren und die Selbstbestimmung aufzugeben. Und warum? Weil sein Selbstwertgefühl ebenfalls schwach ist. Er ist überzeugt, nicht bestehen zu können gegen einen starken Partner, der seine Wünsche deutlich formuliert und einfordert. Bindungsangst und Verlustangst sind die zwei Seiten der Medaille eines – wie und wann auch immer – verletzten Selbstwertgefühls. Sobald den Partner dies bewusst wird, können sie ganz neu und ohne Furcht den Partner zu verletzen, über Nähe und Distanz verhandeln. Die Frage lautet dann nicht mehr: „Wie kann ich weniger klammern?“ Oder „Wie kann ich verhindern erdrückt zu werden?“ Es geht vielmehr darum: „Wie können wir mehr Verständnis für die gegensätzlichen Verhaltensweisen entwickeln, jetzt wo wir wissen, dass es uns im Grunde um dasselbe geht, nämlich Stärkung unseres Selbst?“

Fehlender Freiraum in der Beziehung

Ein Partner mit ängstlichem Verhalten wird sich bei Stress (von außen oder von innen der Beziehung) um Nähe bemühen. Sie suchen Austausch und Kommunikation, sie erleben das Bedürfnis nach Klärung und Gemeinsamkeit als sehr drängend. Unsere Vorfahren waren auf zwei Reaktionen beschränkt: Angriff oder Flucht. Der Verlustängstliche sucht die Nähe und geht auf „Angriff“. Ich beschreibe dieses drängende Gefühl in der Beratung manchmal mit der Wirkung von Tierbabys auf uns. Große Augen, kleine Nase, Hilflosigkeit und dann auch noch Fell – nahezu jeder Mensch empfindet dann: „Ooooooh, will ich haben!“ So ein „Will ich haben“-Gefühl erleben ängstliche Partner, wenn sie meinen, ihr Partner wäre emotional nicht erreichbar. Dann schreit jede Faser in ihrem Körper: „Ich will dich spüren!“

Ein Partner mit vermeidendem Verhalten wird sich bei Stress zurückziehen, denn er fühlt sich verletzbar. Er sucht die Flucht. Je näher ihm nun jemand kommt, umso stärker wird die Fluchtreaktion ausfallen. Kindern, denen in emotionalen Situationen immer wieder gesagt wurde, „So aufgewühlt spreche ich nicht mit dir, komm wieder, wenn du dich beruhigt hast“, entwickeln später leicht den Glaubenssatz: „Ich benötige Abstand, um klar denken zu können.“ Solche Menschen sind nur belastbar, wenn sie sich selbstbestimmt fühlen können. Sobald Ihr Fluchtinstinkt geweckt ist, also ihr vermeidenden Bindungssystem einkickt, erleben sie Stress und Panik.

Der Partner klammert in der Beziehung

Jegliche Kritik am Partner löst diesen Impuls aus: Flucht oder Angriff. Der Konflikt der Partner entsteht dabei nicht durch die unterschiedliche Dynamik. Bei den meisten Paaren werden sich die Partner je nach Situation und Anlass in unterschiedlichen Rollen finden, denn ihre Verhaltensweisen sind nicht schlecht oder böse, sie sind ganz natürlich. Wie gesagt, unsere Vorfahren kannten nur Flucht oder Angriff, die starken Emotionen, die sie verspürten, haben dazu geführt, dass sie überlebt haben und wir von ihnen abstammen. Unsere Gehirne haben sich mittlerweile um Regionen erweitert, die abwägen und sich erinnern können, so sind wir in der Lage Zukunftsszenarien durchzuspielen. Nur gelingt das nicht in dem Moment, in dem unser Bindungssystem aktiviert wird und unsere Gefühle einen Flucht- oder einen Angriffsimpuls setzen.

Die Folge: Der Nähe-Typ kann nicht verstehen, weshalb der Distanz-Typ so stur und verletzend ist; der Distanz-Typ kann nicht glauben, wie unfair und übergriffig der Nähe-Typ sich verhält. Solange dies wechselseitig geschieht, erleben sich die Partner immer wieder in unterschiedlichen Rollen, deshalb reflektieren sie – und wenn nur unbewusst – ihre Gefühlswelten und Verhaltensweisen.

Belastend wird die Dynamik, wenn sie sich festfährt und in die Rollen nicht mehr getauscht werden, wenn ein Partner grundsätzlich verlustängstlich reagiert und Nähe sucht und der andere sich grundsätzlich bindungsängstlich verhält und Distanz schafft. Und mittel- und langfristig wird diese Dynamik immer auch das Schlafzimmer erreichen.

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Die Macht besitzt derjenige, der zurückweist

In der Sexualtherapie heißt es: Wer zurückweist hat die Kontrolle. Denn er (oder sie) ist durch sein Verhalten derjenige, der bestimmt, wann und wie viel Nähe das Paar erlebt. Wenn es um Sex geht, kommt nun noch eine Sache hinzu, auf die beispielsweise der Klinische Sexualpsychologe Thorsten Ahlers hinweist: Männer erleben Sex als Nähe, Frauen benötigen Nähe für Sex. Sicher ist das auch eine Frage der Persönlichkeit, doch der Wunsch nach Intimität nach einem Streit ist für Männer wohl das Bedürfnis, nun wieder Nähe herzustellen und zu erleben. Frauen suchen jedoch eher die emotionale Nähe bevor sie sich körperliche Nähe vorstellen können.

Erinnern wir uns, wie Kinder reagieren, denen wir keine Aufmerksamkeit schenken: Sie werden traurig, sie werden zornig, sie ziehen sich gänzlich zurück, weil sie sich ungeliebt fühlen – aber sie zerschmettern auch in einem Wutanfall alles, was ihnen in die Hände gerät. Dieses gewaltige Bedürfnis nach Bindung kann selbst in erwachsenen Menschen einen emotionalen Sturm auslösen. Es sind genau diese Momente, die dann über Ende oder Fortführung einer Beziehung entscheiden können, weil wir an diesem Punkt leicht die Kontrolle verlieren.

Aufhören zu klammern

Ganz wichtig: Das Ziel ist nicht, dass Sie aufhören Nähe zu suchen. Sie sollen aber Strategien (er)finden, die Ihren Partner nicht in die Flucht oder zum Gegenangriff treiben. Umgekehrt sollen Sie sich nicht vereinnahmen und fremdbestimmen lassen, Sie sollen jedoch wissen, dass die Bemühungen Ihres Partners Wunsch nach Bindung ausdrücken – und Sie gemeinsam verhandeln dürfen, wie diese hergestellt werden könnte.

Hat Ihr Partner – vielleicht unbewusst – Bindungsangst?

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Wie eindeutig sind seine Signale?

Sein Wunsch nach Autonomie

Er hält Distanz

Sein Umgang mit Ihren Schwächen

Beharren auf seinen Grenzen

Seine Vorstellung von Beziehung

Seine Wünsche und seine Regeln

Hält sich seine Absichten offen

Hat Ihr Partner – vielleicht unbewusst – Bindungsangst?
Ihr Partner leidet ziemlich sicher nicht unter Bindungsangst
Es ist sehr unwahrscheinlich, dass Ihr Partner unter Bindungsangst leidet, wenn er sich so verhält, wie Sie ausgewählt haben.
Ihr Partner leidet möglicherweise unter Bindungsangst
Nach Ihren Angaben lässt sich nicht genau sagen, ob Ihr Partner unter Bindungsangst leidet. Eine Tendenz besteht, doch sie ist nicht besonders stark ausgeprägt. Sie ist allerdings erkennbar.
Ihr Partner leidet mit großer Wahrscheinlichkeit unter Bindungsangst
Ihr Schwarm oder neuer Kontakt oder Partner ist mit großer Wahrscheinlichkeit ein vermeidender Beziehungstyp. Das bedeutet, dass er stark von Bindungsangst geprägt ist. Auch er wünscht sich Liebe und Bindung – jedoch schränkt seinen Wunsch nach Nähe immer der Drang nach Autonomie und Selbstverantwortung ein. Auf keinen Fall möchte er sich aufgeben in einem Wir einer Beziehung, sondern sein Ich bewahren. Dieses Ich ist geprägt von einem verletzten Selbstwert, deshalb fällt es ihm so schwer, weitere Verletzungen zuzulassen. Da Nähe verletzbar macht, wählt er die Distanz als Schutzstrategie. In extremen Ausprägungen können vermeidende Bindungstypen keine Kritik zulassen oder sich Grenzen setzen lassen, ohne mit einer Vielzahl von Gegenangriffsstrategien jegliche weitere Verletzung des Ichs zu verhindern. Wenn Sie immer wieder Beziehungen mit Partnern mit Bindungsangst eingehen wollen, dann besteht die große Möglichkeit, dass Sie ein ängstlicher Bindungstyp sind, der von Verlustangst geprägt ist. Denn zwei vermeidende Typen finden selten eine gemeinsame Basis für eine Partnerschaft. Wohingegen sich vermeidende und ängstliche Typen gegenseitig ergänzen und anziehen. Möglicherweise möchten Sie sich mit Ihrem Bindungssystem einmal näher beschäftigen, um aus einem schmerzhaften Muster auszubrechen.

Nur in Filmen und Büchern – und in der euphorischen Kennenlernphase – empfinden beide Partner jederzeit und immer gleichzeitig das Bedürfnis nach Nähe bis zur Verschmelzung. Viele Paare geraten viel zu schnell in Panik, weil sie nicht mehr gewohnt sind, Distanz zuzulassen. Distanz erscheint dann als etwas Böses, das Partner trennt. Dabei ist es unerlässlich, Distanz zu ertragen, denn nur wer sich auch voneinander wegbewegt, kann erneut aufeinander zu gehen. Dieses Wechselspiel ist, was Liebe so spannend macht und Sehnsucht erst möglich, denn man kann eben nur begehren, was man nicht hat.

Tipps, wenn der Partner klammert

Verstehen Sie die Muster: Wann verspüren Sie das Bedürfnis nach Nähe, wann nach Distanz? Welche Situationen und welche Verhaltensweisen „triggern“ Ihr Bindungssystem? Was genau geschieht mit Ihnen?

Tauschen Sie die Rollen: Wenn Sie es nicht sowieso unbewusst immer wieder tun, wechseln Sie ganz bewusst – vielleicht sogar als Rollenspiel – Ihre Haltung und Ihre bevorzugte Reaktion. Prüfen Sie die Flucht, wenn Sie eigentlich angreifen wollen, wagen Sie Nähe, wenn Sie eigentlich Distanz suchen. Wie fühlt sich das an und was sagt Ihnen Ihr Erleben über die Gefühlswelt Ihres Partners in dieser Situation?

Was Sie spüren, ist normal: Machen Sie sich bewusst, dass Sie so reagieren, wie es für das Überleben der Menschen Tausende Jahre lang unerlässlich war. Weder der Wunsch nach mehr Nähe noch der nach mehr Distanz ist „schlecht“. Denken Sie daran, Bindungsangst und Verlustangst haben dieselbe Ursache: Stärken Sie deshalb Ihr Selbstwertgefühl, damit Sie sicherer in Ihrem Wunsch nach Bindung werden.

Versuchen Sie eine Paarberatung: Es gibt zahlreiche erprobte Interventionen, vor allem bei diesem Thema in der Emotionsfokussierten Paartherapie, durch die Partner einander besser verstehen können. Seien es Skulpturen aus der systemischen Arbeit oder das Innere Team aus der Kommunikationswissenschaft: Mit geringem Aufwand können Sie und ein Paarberater kleine Veränderungen bewirken, die sich rasch auf viele Bereiche Ihrer Beziehung auswirken. Bereits die Verständigung auf eine gemeinsame Arbeit an der Paarbeziehung ist eine Veränderung.

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Eric Hegmann ist Paartherapeut, Single-Coach und Autor. Er hat über ein Dutzend Bücher zu Liebe, Partnerschaft und Partnersuche veröffentlicht. Er ist Co-Gründer der Modern Love School .

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