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Immer mehr Singles. Alle nur Generation beziehungsunfähig? Alle Egoisten und Selbstoptimierer, die an ihren höchsten Ansprüchen verzweifeln? (Vor)Urteile über Singles gibt es reichlich. Was ist dran?

Irgendwo zwischen Zweckoptimismus und Selbstoptimierung gibt es eine Gruppe von sehr glücklichen Singles, die mit ihrem Alleinsein super zufrieden sind. Die an ihrer Lebenssituation nichts ändern möchten. Die so bleiben möchten, wie sie sind und keinen Platz für einen Partner sehen.

Diese Gruppe ist klein. Häufig wird sie beschrieben als die Generation der Beziehungsunfähigen. In allen Umfragen sagt jedoch die deutliche Mehrheit der Deutschen, sie wünschten sich vor allem eine glückliche, liebevolle Beziehung fürs Lebensglück. Vor allem die Jüngeren sind romantisch – vielleicht zu romantisch? –, während die Älteren eher pragmatisch – möglicherweise zu abgeklärt – mit ihrem Liebes- und Sexleben umgehen.

Warum leben immer mehr Menschen allein? Der Wunsch nach Selbstoptimierung wird häufig genannt. Was etwa bedeuten kann, sich zwischen Karriere-Wunsch, Work-Life-Balance, gesunder Lebensweise und Yoga-Kurs zu finden. Oder zu verlieren.

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Generation beziehungsunfähig ist Generation Selbstoptimierung

Diese zunehmende Selbstoptimierung hat selbstverständlich vielfältige und individuelle Gründe. Der Wunsch nach Verbesserung, wenn er übermäßig und möglicherweise als Kompensation ausgelegt wird, kann beispielsweise seinen Ursprung in einem mangelnden Selbstwertgefühl haben. Basierend auf dem Modell der Bindungsstile haben alle Menschen ein evolutionäres Bedürfnis nach Bindung. Niemand möchte ohne Gesellschaft leben und die Zweier-Gruppe ist zunächst die kleinste Gemeinschaftsform. Ob eine Person eine sichere oder eine Varianten eines unsicheren Bindungsstils entwickelt, hat sehr viel mit dessen Erfahrungen mit Bezugspersonen in der frühen Kindheit zu tun.

Gehen wir davon aus, dass über die Hälfte der Menschen eine sichere Bindungshaltung haben, also Personen die nur kurze Single-Phasen durchleben und entsprechend selten auf dem Partnermarkt zu finden sind, treffen dort vor allem Menschen mit ängstlichen und vermeidende Bindungsstil aufeinander. Die erleben dann immer wieder jene schmerzhaften Erlebnisse, die sich unter „immer an die Falschen geraten“ sammeln lassen.

Unbestreitbar haben Selbstwertgefühl und Bindungsverhalten etwas miteinander zu tun. In wie weit der Wunsch nach Selbstoptimierung in einem Zusammenhang mit Bindungsverhalten steht, müsste meines Wissens noch empirisch untersucht werden. Aus meiner Erfahrung würde ich dies zumindest für wahrscheinlich halten.

Ganz sicher ist ein zu hoher Anspruch an den Partner eine (oft unbewusste) Variante der vermeidenden Bindungshaltung. Der Wunsch nach einem perfekten Partner wird natürlich medial durch Werbung sowie Bücher, Filme und Serien gesteuert, aber er ist ebenso ein Produkt von sozialen und kulturellen Umständen, in denen Rollenvorbilder vielleicht nicht mehr erlebt oder falsche Rollen Vorbilder als richtig wahrgenommen werden. Das lässt sich in Reality-Soaps ebenso erkennen wie in dem zunehmenden Bedürfnis nach Promi-Storys, denen nach der eifert wird. Soziale Medien verbreiten Marketing Botschaften, die unreflektiert als Beziehungswahrheit akzeptiert werden.

Generation beziehungsunfähig oder Generation Bindungsangst?

Auch dadurch stellen viele Menschen immer höhere und vor allem unrealistische Ansprüche an Partnerschaften. Ganz im Sinne der Liebe als wichtigstem Gut im Leben suchen sie nach dem Prinzip AMEFI – Alles mit einem für immer. Dabei ist die Gefahr der Enttäuschung gewaltig, denn diese Erwartung kann niemand erfüllen.

Die meisten Menschen suchen im Partner einen Spiegel ihrer selbst: ein Maximum an Ähnlichkeiten, die Bestätigung und Anerkennung, einen Sinn und natürlich die Umarmung, die Geborgenheit und Ruhe gibt – vor der immer komplexeren und Furcht einflößenden Umwelt.

Wer heute das Beste will, muss wir selbst das Beste bieten können. Also heißt es, sich permanent selbst zu optimieren – besonders denken dies jene, deren Selbstwertgefühl niedrig und meist auch deren Bindungsstil unsicher ist.

Professor Gottman zieht als Fazit seiner jahrzehntelanger Beobachtung von Paaren, das wichtigste Ziel eines Paares sei, beste Freunde zu bleiben. Ich verstehe das als ein Team zu bilden, das auf die Veränderungen von innen und außen möglichst vielfältig und kreativ reagierten kann. Dazu braucht es eine starke Bindung, die in guten wie in schlechten Zeiten trägt. Eine solche Bindung entsteht durch Vertrauen und Verbindlichkeit. Und durch Sex. Diese Bindung zuzulassen fällt aber – keine Überraschung – vor allem den Menschen mit einem sicheren Bindungsstil leicht.

In den Metropolen leben mehr Singles als Paare. Die Auswahl ist also riesig. Und dennoch heißt es in der Beratung „Ich gerate nur an die Falschen“. Nicht immer, aber häufig, ist genau diese Erfahrung ein Zeichen einer passiven Beziehungsverweigerung, also einem unbewussten vermeidenden Bindungsstil aus Furcht vor Nähe. Wer wie – im Ausdruck durch das „immer“ belegt wird – eine dauerhafte, nicht erfolgreiche Strategie wiederholt, erlebt zwangsläufig Frust und ein geringes Selbstwertgefühl. Das Bedürfnis nach Selbstoptimierung steigt. Aber was für die erfolgreiche Partnersuche nötig ist – Gelassenheit und Optimismus –, verschwinden.

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Die Generation beziehungsunfähig gibt es nicht

Partnersuche und Partnerschaft sind eine Investition. Daher suchen alle einen Partner, der sympathisch ist, mit dem eine gemeinsame, zufriedene Zukunft möglich scheint. Ein in einem Selbstwert erschütterter Single, der „immer an die Falschen geraten“ gerät, sitzt rasch in einer sich wiederholenden, selbst erfüllenden Prophezeiung von schlechten Dates und unglücklichen 6-Wochen-Affären fest.

Das ist jedoch keine Bindungsunfähigkeit. Eher hat das etwas mit der Disneyfizierung der Liebe zu tun. Das ist ein Muster, aus dem sich – beispielsweise durch einen Blick von Außen – durchaus ausbrechen lässt. Allerdings braucht es dazu den Willen, die Perspektive zu wechseln, sich von hemmenden Verhaltensweisen zu lösen und neue Wege zu probieren.

Zu hohe Ansprüche, vermeintlicher Egoismus oder eben Beziehungsunfähigkeit sind nach meiner Erfahrung meist eine Folge von einem geringen Selbstwert. Wer sagen kann, ich verdiene es, geliebt zu werden, kann Liebe zulassen und geben und einen sicheren Bindungsstil leben. Und diese Personen sind niemals lange Single. Es ist ja nicht zufällig so, dass Menschen mit hohem Selbstwert attraktiv erscheinen. Unbewusst wissen wir also ziemlich genau, was uns gut tut. Und dieses Ziel ist erreichbar. Nicht durch mehr, nochmals mehr und viel, viel mehr Anstrengungen – eher sogar mit weniger und vor allem mit neuen Wegen.

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Eric Hegmann ist Paartherapeut, Single-Coach und Autor. Er hat über ein Dutzend Bücher zu Liebe, Partnerschaft und Partnersuche veröffentlicht. Er ist Co-Gründer der Modern Love School .

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